Welche Firmen sollten
Ihrer Meinung nach überhaupt in Sozialen Netzwerken tätig werden und warum?
Im Prinzip alle Unternehmen, die sich einem Service- und
Informationsgedanken an ihre Kundschaft verpflichtet fühlen und sowohl transparent
als auch kundenorientiert auftreten wollen. Das betrifft natürlich
konsumorientierte Unternehmen in anderer Hinsicht, als, sagen wir einmal, Zulieferfirmen oder Businesskunden, da
hier die Kommunikationsumschlagsrate generell erheblich geringer ausfällt.
Ist ein Social
Media-Engagement Pflicht für ein modernes Unternehmen 2012?
Nein. Nicht wirklich. Man sollte zuvor für sich selbst
entscheiden, was die eigenen Ziele sind und ob man bereit ist eine gewisse
Offenheit an den Tag legen zu wollen. Das bedeutet auch, dass Sie als
Unternehmen bereit sein sollten, ein klein wenig von dem an die Community
abzugeben, was Sie bisher „Kontrolle“ genannt haben. Dabei sollten Sie aber nie
vergessen, dass die Öffentlichkeit ohnehin über Sie als Unternehmen redet, vor
allem, und auch oft, um Kritik zu üben – auch und gerade im Internet. Und ist
es nicht viel besser, wenn das auf der von Ihnen moderierten Seite geschieht,
auf der Sie selber regulierend eingreifen können, als irgendwo im Netz, wobei
Sie dann nur zuschauen, respektive kommentieren können? Und ich gebe auch zu
bedenken, dass die meisten Ihrer Fans auf einer Facebook-Fanseite ja bereits
den Like-Button geklickt haben, also Ihrem Unternehmen sehr wohlwollend
gegenüberstehen. Wenn nun also jemand daher kommt und unberechtigte Kritik oder
gar üble Nachrede übt, können Sie relativ sicher sein, dass die Gemeinschaft
Ihrer Fans hier bereits regulierend eingreift. Auf Ihre Frage bezogen, kann man
aber schon sagen, dass mittelfristig die meisten Unternehmen ihre Dependance
auf Facebook und Co. eröffnen werden.
Welche
Infrastrukturen, Voraussetzungen muss man im Unternehmen aufbauen, bevor man
sich in die Sozialen Netzwerke begibt?
Vom Brandmanagement wie vom Marketing müssen hier gewisse
Zugeständnisse dahingehend gemacht werden, dass man sich davon lösen muss, alles
was hier passieren wird generalstabsmäßig durchplanen zu wollen. Das bedeutet
nicht, dass man ohne einen vorher abgestimmten Jahresplan durch die Community
navigiert, lässt aber einen Spielraum, um möglichst schnell und spontan auf
Ereignisse, Kommentare und Sonstiges seitens der User reagieren zu können. Um
hier das nötige Vertrauen zwischen den Markenverantwortlichen und den Social
Media-Moderatoren zu schaffen, sind ausgiebige Schulungen und Gespräche eine
unabdingbare Voraussetzung. Es muss vor allem allen klar sein, dass nicht jedes
zu postende Bild, nicht jeder Kommentar der Abstimmung und Freigabe bedarf,
sondern von den Moderatoren eigenverantwortlich geleistet werden muss. Um das, und
auch eine schnelle Reaktion zu gewährleisten, muss eine möglichst
barrierefreie, offene Kommunikation innerhalb des Unternehmens die
Bereitstellung von Informationen und Neuigkeiten ermöglichen.
Gilt hier überhaupt noch
das gleiche Zielgruppenverständnis wie in der konventionellen
Unternehmenskommunikation?
Nun zunächst einmal muss das Unternehmen wissen, wer genau
die Zielgruppe ist und wie diese wirklich
tickt. Was sind ihre realen Wünsche, ihre Interessen, worüber unterhält sie
sich. Es ist amüsant wie erschreckend gleichermaßen, wie wenig einige
Unternehmen tatsächlich über ihre Zielgruppe Bescheid wissen. Im Gegensatz zur
klassischen Werbung hat man es hier plötzlich nicht mit standardisierten
Zielgruppen von Menschen zwischen 18 und 69 zu tun, sondern mit Individuen. Eine
Tatsache, mit der viele Unternehmen kommunikativ zunächst überfordert sind.
Müssen die Social
Media-Moderatoren zwangsläufig aus dem Unternehmen kommen?
Absolut nicht. In den Sozialen Netzwerken ist den meisten
Usern ohnehin klar, dass diejenigen, die da twittern oder auf facebook aktiv
sind, nicht unbedingt die klassischen Angestellten sind, die sich dann
plötzlich zu Netzberufenen aufschwingen. Es ist natürlich absolut nichts
dagegen zu sagen, wenn es im Unternehmen jemanden gibt, der sich beruflich zu
derlei Dingen hingezogen fühlt. Aber dabei kommt dann bei den
Personalverantwortlichen schnell der Gedanke auf, dass der betreffende
Mitarbeiter den ein oder anderen Social Media-Kanal noch neben seiner
eigentlichen Arbeit betreuen könnte. Und genau hier liegt der Denkfehler, der
vielen unterläuft. Das Betreuen von Social Media-Accounts ist ein Fulltime-Job!
Was wiederum nicht heißt, dass man die Timelines ohne Unterlass mit Postings
zubombt. Der größte Teil der Zeit muss dabei für das Lesen, das Beobachten, das
Verstehen eingeplant werden. Und natürlich muss jederzeit die Bereitschaft und
die nötige Aufmerksamkeit gegeben sein, um spontan, schnell und persönlich
einzugreifen, wenn es nötig ist.
Was sind die
wichtigsten Eigenschaften, die ein Social Media-Moderator mitbringen muss?
Entgegen der landläufigen Meinung, ist es nicht unbedingt
notwendig, einen Germanistik-Absolventen mit fehlerfreier Orthografie auf die
Community loszulassen. Viel wichtiger sind Dinge wie eine natürliche Gabe zur
zwischenmenschlichen Kommunikation, Einfühlungsvermögen, diplomatisches
Geschick, oder auch mal – wenn es hart auf hart kommt – die Fähigkeit zum
souveränen Krisenmanagement. Der Moderator muss begreifen, dass er auf
Augenhöhe mit der Community redet. Er ist nicht der Vorsitzende eines elitären
„Gefällt Mir-Clubs“ oder der Stellvertreter eines Konzernchefs, sondern im
besten Sinne ein Vermittler, der gleichermaßen informieren wie unterhalten,
aber auch schlichten können muss. Das Wichtigste ist wohl, dass er die zu
betreuenden Kanäle und deren Wirkungsweisen verstanden hat, was am besten
dadurch gewährleistet – aber kein Muss – ist, wenn er bereits privat über einen
eigenen Account in den relevanten Netzwerken verfügt und über diese seine
Erfahrungen gemacht hat. Gerade bei twitter zum Beispiel ist es geradezu völlig
unmöglich einem Novizen diesen Kanal theoretisch ernsthaft nahezubringen, ohne
praktische Erfahrung. Hier ist das Scheitern dann schlicht vorprogrammiert. Für
facebook wie auch twitter gilt jedoch gleichermaßen: der Output sollte nicht so
groß sein, dass man als Spam wahrgenommen wird, aber ebenso ist hier keine
journalistische Feinarbeit gefragt, die 1 Tweet oder Post pro Tag zur Folge
hat.
Wo liegt der
gravierendste Unterschied zwischen klassischer Werbung und dem Social
Media-Auftritt?
Das Klientel auf facebook, twitter und Co. ist nicht länger nur
rezipierendes Publikum, bloßer Zuschauer einer von Werbeagenturen durchgestylten
Inszenierung, sondern mischt sich aktiv in alles ein, wo es sich einmischen
möchte. Das Spannende an den Netz-Communities und somit auch die besondere
Herausforderung für die Social Media-Moderatoren ist es nun, die User, die im
Prinzip ja bereits Fans einer Marke sind, in die eigene Kommunikation mit
einzubinden. Und zwar nicht als die eigene Markenbotschaft wiederholende Lautsprecher,
sondern als Anstoßgeber mit äußerst kreativen Multiplikatoren. Wenn man das
nicht versteht, passieren solche Kommunikations-Super-GAUs wie kürzlich bei
McDonald´s, die dachten per Twitter-Hashtag #McDStories
eine virale Kampagne fahren zu könnten und von der Twitter-Community sofort
„gekapert“ wurden, oder – als anderes Beispiel – die Marke Pril, die über
Soziale Medien die User über selbstentworfene Etiketten für eine Sonderaktion
abstimmen ließ und mit dem Ergebnis so unzufrieden war, dass sie kurzerhand
eine Jury dazwischen schaltete, was wiederum einen so gewaltigen sogenannten
„Shit-Storm“ auf der Pril-Seite auslöste, dass hier die Kommentarfunktion
abgeschaltet werden musste.
Hat der Auftritt in
Sozialen Netzwerken noch immer den Sonderstatus, außerhalb der klassischen
Kommunikations-Maßnahmen.
Ja und nein. In den Kindertagen der Social Media gab es
immer diese, von vielen Werbeagenturen postulierte Vision, hier ließe sich mit
verschwindend geringem Budget auf viralem Wege ein Hype auslösen, der ein
Produkt quasi über nach wie von selbst bekannt macht. Inzwischen hat sich wohl
herumgesprochen, dass es dann doch einiger Arbeit – und sehr wohl auch des
entsprechenden Budgets - bedarf, um derart effizient zu arbeiten, dass es nicht
bei einem Strohfeuer bleibt. Denn man darf niemals vergessen, dass hinter
erfolgreicher Social Media-Aktivität immer Manpower steckt, und Aufmerksamkeit
rund um die Uhr erfordert. So gesehen ist der Sonderstatus noch immer gegeben,
besonders weil in den Marketingabteilungen das Verständnis für diesen Kanal
noch nicht wirklich angekommen ist. Dabei gibt es nirgendwo direktere
Response-Zahlen und eindeutigeres Feedback auf Kommunikationsmaßnahmen als
hier.
Kann man über Social
Media-Kanäle etwas verkaufen?
Etwas verkaufen zu wollen, muss das absolut letzte Ziel
sein, wenn man sein Unternehmen via Social Media in Stellung bringt, um nicht zu
sagen, es spielt in dieser direkten Kommunikation keine Rolle. Ein Erkenntnis,
die in Unternehmen noch immer für viele Missverständnisse sorgt. Es geht hier
um wirkliche Kommunikation mit Sendern
und Empfängern, wobei jeder der Kommunikationsteilnehmer alle Positionen
einnehmen kann. Auch wenn es den klassisch geschulten Marketingmanagern oft
schwer zu vermitteln ist, ernsthafte Social Media zu betreiben bedeutet,
Emotionen aufzubauen, und zwar ernst gemeinte Emotionen.
Ist die Ansprache auf
facebook und twitter dieselbe, wenn man doch ohnehin für das gleiche
Unternehmen schreibt?
Absolut nein. Auch wenn es nicht mehr unbedingt die Trennung
gibt, die noch vor ein paar Jahren galt, dass die politisch eher Interessierten
auf Twitter zu finden sind, während sie die Smalltalk-Fraktion auf Facebook
tummelt, ist die Kommunikation auf beiden Plattformen komplett unterschiedlich.
Das noch weitaus bildorientiertere Facebook bietet Usern ein öffentlich
sichtbares Dazugehörigkeitsgefühl, wenn sie einer bestimmten Marke folgen,
quasi eine Profilierung über die Werte der bevorzugten Marke, während ein
werblicher Account auf Twitter nach wie vor eher verpönt ist und abgelehnt
wird. Daher muss man hier noch viel mehr darauf achten, auf einer persönlichen
Ebene zu schreiben und glaubwürdig zu sein. Infos werden hier eher
unterschwellig eingestreut, in Gesprächen oder Diskussionen. Auf Facebook
dagegen kann man mit entsprechend
exklusiven Informationen ziemlich sicher mit einer recht automatischen Weiterverbreitung
rechnen. Twitterer definieren sich noch immer eher individuell und sehen sich
als eine Art elitärerer Community an, was – wenn man die reinen Userzahlen
vergleicht – in Deutschland auch definitiv zutrifft. Und da lässt man eben
keinen so schnell in die eigene Wohnung ein, Werbung schon gar nicht.
Was erwarten Fans und
Follower von einem Unternehmen, dass sich in Social Networks den Fragen und
Meinungen der User stellt?
Aus langer Erfahrung kann man diese Frage mit drei Worten
beantworten: Geschenke, Unterhaltung, Informationen. Und das in genau dieser
Reihenfolge. Natürlich wollen alle, die eine Marke und deren Produkte mögen
stets auf dem neuesten Stand sein, was Entwicklungen und Veröffentlichungen
neuer Produkte angeht, aber es ist nicht zu verleugnen, dass es einen absoluten
Anstieg an Kommunikationsanteilnahme gibt, wenn es um Gewinne geht. Dabei steht
spannenderweise nicht einmal so sehr das persönliche Gewinnen im Vordergrund,
sondern die reine Tatsache, dass
jemand etwas gewonnen hat. Die Gemeinschaft freut sich durchaus über den Gewinn
anderer, und hält mit dieser Freude auch nicht hinter dem Berg. Dabei mag
natürlich die Transparenz eine Rolle spielen, also die Gewissheit, dass hier
die Gewinner öffentlich bekannt gegeben werden, dass es sie auch wirklich gibt
und der Gewinn nicht in irgendwelchen obskuren Kanälen versickert, sowie
selbstverständlich auch die Hoffnung, selber eines Tages hier genannt zu
werden. Einen anderen wichtigen Aspekt stellt natürlich die schnelle und
ausführliche, eben offene Beantwortung von Konsumentenfragen dar. Nichts ist
überzeugender als schwierige, oft auch heikle Fragen, ehrlich und öffentlich zu
beantworten.
Kann ein Social
Media-Kanal die Distanz zwischen Marke und Kunde verringern, gar abbauen?
Auf jeden Fall. Je nach Produkt kann hier eine
Emotionalität, eine Bindung zur Marke aufgebaut werden, die das Produkt in keiner
anderen Präsentationsform sonst jemals erreichen würde. Ob man es glaubt oder
nicht, in den Sozialen Netzwerken können Marken in der Tat Vertrauen im
ureigendsten Wortsinn aufbauen – vorausgesetzt, sie sind ehrlich und verdienen
sich dieses Vertrauen auch.
Was sind die
wichtigsten Voraussetzung für einen Social Media Kanal?
Absolute Glaubwürdigkeit. Man muss den Betreuern des Kanals
abnehmen, dass sie es ernst meinen, dass sie echt sind und sich wirklich um die
Belange, Fragen und auch Sorgen der User kümmern. Und ob das dann nun
Firmenvertreter oder Angestellte einer Werbeagentur sind, ist dann letztendlich
zweitrangig. Agenturen haben jedoch den unschätzbaren Vorteil, dass sie zum
einen ein wesentlich entspannteres
Verhältnis zur Marke haben, als die eigenen Angestellten und zum anderen die so
wichtigen Kleinigkeiten, wie Grafiken, Bilder, Filmchen selber in Windeseile
herstellen können. Denn Schnelligkeit ist die beste Antwort auf die
Kurzlebigkeit mancher Trending Topics in den einzelnen Kanälen.