Das Interview mit dem Baumeister - Teil I


Dogma
Schön, dass es nun doch noch geklappt hat, Herr ... ähm, wie darf ich Sie anreden?
Er
Ach, ich bin da wenig dogmatisch. Nennen Sie mich doch einfach Baumeister, das ist dann auch  
schon der Hauptteil meiner Arbeit.

Dogma
Ich dachte, Sie würden vielmehr den philosophischen Überbau Ihrer Projekte betreuen? Schließlich
trägt das Ganze ja später auch Ihre unverkennbare Handschrift.
Er
Wissen Sie, ich will Ihnen ein Geheimnis verraten. Dieser ganze ... wie sagten Sie gerade? Philosophische Überbau? (lacht) Dieser ganze Philosophiekram, so wichtig er später auch erscheinen mag, entsteht eigentlich stets aus der jeweiligen, zumeist schon ganz schön fortgeschrittenen Sache heraus. Wenn Sie verstehen, was ich meine.

Dogma
Um ehrlich zu sein, eigentlich nicht so ganz. Könnten Sie das vielleicht etwas genauer ...
Er
Aber gerne, mein Lieber. Sehen Sie mal. Im konkreten Fall geht es Ihnen ja wohl vornehmlich qua Ihrer Herkunft um die Erde nehme ich an. Was glauben Sie, wie viel Zeit in der Planungsphase und der Bauvorbereitung auf die eigentliche Philosophie ... sagen Sie, nennen Sie die nicht inzwischen vorwiegend Religion?

Dogma
... naja, das kommt ganz drauf an ...
Er
Wie dem auch sei. Was glauben Sie, wie viel Zeit wir in diesem speziellen Fall auf diesen ganzen Geisteskram verwandt haben, junger Mann?

Dogma
Nun ja, wenn Sie mich bereits so subjektiv fragen, vielleicht 30 Prozent?
Er
(lacht auf) 30 Prozent? 30 Prozent ist gut, ha! Dafür haben wir doch gar keine Zeit. Wenn so ein
durchaus als komplex zu bezeichnender Auftrag erst einmal eingegangen ist, dann sind sie froh, wenn Sie den Liefertermin auch nur annähernd einhalten können. Nein, nein. Bislang kamen da immer so in etwa 0,1 bis 0,3 Prozent bei rum (lacht wieder). Und bevor Sie nun empört aufbegehren, das reicht auch sage ich Ihnen. Mit mehr Philosophie wären die meisten Gesellschaften Ihrer Entwicklungsstufe absolut überfordert. Und die Erde, mein Lieber, wurde gerade mal mit dem Minimum ausgestattet.

Dogma
Waren Sie sich eigentlich von Anfang an bewusst, dass Sie einen Fehler gemacht hatten?
Er
Wie bitte meinen Sie das denn jetzt? Einen Fehler. Ich bin mir nicht bewusst, einen Fehler gemacht zu haben.

Dogma
Nun Sie müssen doch eingestehen, dass sich die Bewohner Ihres Projektes von Anfang an darin auszeichneten, ihre Spezies gegenseitig zu zerstören.
Er
Ja sicher. Und? Wo ist da der Fehler. Junger Mann, glauben Sie etwa, das wäre nicht von vorneherein so beabsichtigt, ja so bestellt worden?

Dogma
Bestellt?
Er
Natürlich. Glauben Sie etwa, wir hätten damals das Kapital gehabt, ein derartig gewaltiges Projekt auf eigene Faust zu schultern? Vielleicht sogar auf eigene Rechnung, was? Ein Prestigeobjekt gaben die Pläne von Anfang an nicht her und nur um mal wieder etwas in der Milchstraße zu bauen, na dazu ist die Gegend einfach zu öde. Da hätte ich mir weitaus schöner gelegene Bauplätze vorstellen können.

Dogma
Sie wollen mir allen Ernstes verkaufen, dass Sie nicht die treibende Kraft gewesen sind, um dieses Projekt voran zu treiben?
Er
Sie sagen es. Ich war zwar als leitender Bauleiter und gewissermaßen kreativer Kopf stärker als andere involviert, diese Lorbeeren lasse ich mir gerne von Ihnen aufs Haupt legen, aber es wäre vermessen zu behaupten, es wäre meine Idee gewesen. Mal im Ernst, junger Freund. Warum sollte ich mir diese ganze Arbeit ans Bein binden, wenn ich zu dieser Zeit auch gut hätte meinen wohlverdienten Urlaub nehmen können. Wir hatten gerade erst ein paar neue Prototypen von schwarzen Löchern entwickelt und herausgefunden wie wir Antimaterie als adäquaten Ersatz für den bei Euch als giftig geltenden Baustoff Amalgam einsetzen konnten ...

Dogma
Amalgam, Sie meinen ...
Er
Ja, ich weiß die Menschen haben das Zeug auch mal irgendwann in die Finger bekommen, seine Bedeutung jedoch nicht verstanden. Natürlich nicht verstanden möchte ich hinzufügen. Aber wo war ich stehen geblieben? Warum also, sollte ich mich nur so aus Spaß an der Freude daran machen und ein wenig Dreck und Magma zu einer relativ unspektakulären Kugel zu formen?

Dogma
Sprachen Sie nicht gerade noch von einem gewaltigen Objekt?
Er
Gewaltig in Bezug auf den Aufwand noch einmal alles mit damals bereits komplett veralteter Technik zu konstruieren. Ich muss gestehen, dass ich immer ein Verfechter der traditionellen Planetenbauweise war, ein Romantiker wenn Sie so wollen. Ich habe für diese Haltung damals auch reichlich Spott von den Jüngeren einstecken müssen. Vielleicht bin ich gerade deshalb aus reinem Trotz mit einer gewissen Detailverliebtheit an die Arbeit gegangen.

Dogma
Herr Baumeister, lassen Sie uns noch einmal auf den eigentlichen Auftraggeber zurückkommen.
Er
Zurückkommen? Ich kann mich nicht daran erinnern mit Ihnen über ihn gesprochen zu haben und ich bin auch absolut nicht dazu bereit mit alten Gepflogenheiten zu brechen. Es gibt in unserer Branche das ungeschriebene Gesetz, die Initiatoren und Finanziers nur dann öffentlich zu machen, wenn diese es ausdrücklich wünschen. Wie ich schon sagte, ich gehöre zur alten Garde und achte die wenigen Traditionen, die uns geblieben sind.

Dogma
Ich respektiere Ihre Traditionen natürlich. Nichts desto Trotz kann ich nicht umhin, mit Ihnen über Religion zu sprechen.
Er
(klatscht in die Hände) Oh fein. Darüber können wir natürlich selbstredend sprechen, Religionen erfinden ist mein Steckenpferd.

Dogma
(verwirrt) Aber steht denn das nicht im Widerspruch mit Ihren Traditionen?
Er
Ah, ich glaube, so langsam komme ich dahinter was Sie meinen. Sie gehören zu jenen, die noch immer denken, dass Religion unmittelbar etwas mit der Erbauung der Erde zu tun hätte und nur hier stattfinden würde.

Dogma
Hat sie nicht?
Er
Hat sie nicht!

Dogma
Aber …
Er
Hören Sie, mein Lieber, es gibt weit weniger zwischen Himmel und Erde, als Sie ahnen.

Dogma
Sie meine, es gibt mehr als ...
Er
Nein, es gibt weitaus weniger. Mal abgesehen von Ihren noch immer erstaunlich primitiven, physischen Fortbewegungsmitteln. Sie wollen darauf hinaus, dass es jemanden wie Gott gibt, der die Fäden in der Hand hält und das Geschick der Menschen lenkt, nicht wahr.(grinst breit)

Dogma
Nun nicht unbedingt Gott, aber doch vielleicht etwas Adäquates? Viele Menschen sind sich heute sicher, dass es diesen einen Gott nicht gibt.
Er
Aber ja doch, natürlich gibt es Gott. Er saß auch lange Zeit mit im Bauausschuss. Und ich gestehe, dass er mich doch ziemlich fasziniert hat. Er hatte ein paar interessante Ansätze  für den Bau einer sich selbst reglementierenden Gesellschaftsform. Ich will auch nicht verhehlen, dass ich mir den ein oder anderen Gedanken bei Gott ... ähm geliehen habe. Leider hatte seine Idee den unangenehmen Nachteil, das unbedingte Führerprinzip, welches  bereits auf ein paar Planeten ins absolute Chaos führte und ja auch bei Ihnen einigen Schaden anrichtete so weit ich weiß, zu verfolgen. Nichts gegen das Chaos an sich, verstehen Sie mich nicht falsch. Chaos kann etwas sehr Schönes und Ansehnliches sein, aber Chaos braucht Freiheit, keine Regeln.

Dogma
Ein Augenblick bitte, Sie wollen mir jetzt ernsthaft weismachen, dass Gott existiert, aber im Grunde ein flüchtiger Bekannter von Ihnen aus dem Bauausschuss ist?
Er
Exakt das.

Dogma
Ihnen ist schon klar, dass das was Sie da behaupten ...
Er
Behauptungen sind unbestätigte Gerüchte. Ich weiß.

Dogma
Nun gut, Ihnen ist also schon klar dass .....

>>> Ja, was denn nur? Teil II des Interviews wird Klarheit bringen.

(Was meine Branche aus) MenschenMacht

Überlegungsverkettungen



Was es wohl bedeutet, eine ganze Gruppe von Zielen ins Visir zu nehmen, dann aber doch wieder nur Zahlen vor Augen zu haben, die sich belanglos ergänzen?

Wie es sich wohl anfühlt, so viel Zielwasser zu trinken, daß man am Ende vor lauter Aktionstrunkenheit gar nichts mehr kantenscharf erkennen kann?

Warum es wohl so viele tun, aber niemand weiß warum?



Haben Sie das schon mal gemacht? Einfach mal auf eine Frage geantwortet, die noch gar nicht gestellt wurde? Einer alten Dame über die Straße geholfen, die viel lieber stehen geblieben wäre? Sich verteidigt, noch bevor Sie angegriffen wurden? Das Trainingscamp nach dem Wettkampf besucht? Erst gespült und dann gekocht? Zuerst abgezogen …?

Eben.



Neulich in der Sauna ist es wieder passiert. Frauen und Männer werden ihresgleichen zugeordnet und sind unter sich. Denkt man. Alle Männer lesen Bild. Alle Frauen essen Gemüse. Alle Männer schauen Fußball. Alle Frauen wollen Pitt oder Clooney. Alle Frauen sind schön und alle Männer stark. Männer trinken Bier, Frauen nur Wasser. Alle. Denkt man. Und dann sieht man sie. Die Handtuchmuster und die Fußnägel. Die Flip-Flops und die Latschen. Die Kleinen, die Nichtsokleinen und die Großen. Man spürt die Blicke und schickt selber welche durch den Nebel. Man tauscht Floskeln aus, erfährt vom Wetter und weiß in Sekundenschnelle etwas über den anderen. Und man merkt, es gibt nicht nur den kleinen Unterschied.



Mein Nachbar Horst wäre beinahe verendet, als er seinen Wagen gegen eine Laterne setzte, weil er seine Augen nicht von dem Plakat mit den 4 Sloggy-Mädels abwenden konnte, die ihm ihre wohlproportionierten Rückansichten in sein Bewusstsein drängten. Horst ist 67 Jahre alt und hat seine Marlies vor 43 Jahren geheiratet. In 43 Jahren ist so einiges passiert.

Alle Horsts dieser Welt kennen die Bilder dieser Kampagne. Aber kein Horst würde seiner Marlies einen Sloggy String-Tanga kaufen.  


 
Man schaut den Menschen immer nur vor den Kopf, hat meine Oma immer gesagt. Recht hatte sie. Bis zum September 1998. Seitdem tippen die 1,8 Milliarden Internetuser und ich unter dem Scheinschutzschild der Anonymität ihre intimsten Wünsche in ein kleines Suchfeld. Hier versteht man uns und führt uns in Sekundenbruchteilschnelle unserer Begehrlichkeit zu. Der totale Service. Und das, obwohl wir uns nicht einmal verstellen müssen. Es stört niemanden, dass wir heute noch nicht geduscht haben und keiner fragt uns, warum wir noch einen Partner suchen, obwohl wir ja schon mit 20 in Kontakt stehen. Und das alles ohne Hose. Wir sind so mutig wie sonst nirgendwo, wenn wir unseren Unmut in die Welt entlassen. Über Politiker die lügen. Über Wäsche die gar nicht weißer wird, als die im letzten Jahr. Über den Vertreter den wie eben noch so nett mit Kaffee und Kuchen bewirtet haben. Und das Beste daran ist: Alle können sehen wie konsequent wir sind. Wir tragen unsere Meinung gefahrlos von On- zu Offline. Und wenn wir Glück haben, bekommen wir sogar ein Geschenk von denen, die wir kritisieren, damit sie nicht so schlecht wegkommen.

Heute wüsste auch meine Oma, dass man den Menschen immer in Kopf, Herz und Hose schaut. 



Ich bin der Auserwählte. Kein Scherz. Es geht um mich. Weil mich keiner mehr anmacht. Sonst wär ick ja nich` ick. Ich bin der, der angesprochen wird. Das merke ich deutlich, weil man es mir sagt. Und am Ende bleibt dann ein Versprechen. Leck mich! Und wenn das verhallt ist? Was bleibt mir, wenn die Worthülsen gesprengt und die Wahrheit freigelegt ist? Wo bleibt der Mehrwert? Warum sollte ich das gleiche Versprechen noch einmal kaufen? Wo ist die Welt, die sich mir eröffnet und mein Leben bereichert, die mich tiefergehend befriedigt, als das Heilsversprechen für die Masse?   



Ich habe es nie so ganz nachvollziehen können warum man das macht. Was bringt es diesen Leuten und was treibt sie an? Ich meine, sie werden ja meistens nach spätestens 20 bis 30 Sekunden geschnappt und dann sehr unsanft abgeführt. Und das vor all den Leuten. Aber irgendwie wollen sie ja genau das. Möglicherweise geht es darum, sich selber etwas zu beweisen. Vielleicht aber auch nur um Aufmerksamkeit. Warhol dachte noch es wären 15 Minuten. 15 Sekunden scheinen völlig auszureichen. Aber kann man das wissen, wenn man er nicht erlebt hat? Vielleicht muss hier jeder seine eigenen Erfahrungen machen.

Ich glaube, ich versuche es auch einmal als Flitzer.



Manchmal muss es eben Mumm sein. Das Ziel sollte sein, ausgelacht zu werden. Nie sind es die Ängstlichen, die Kleingeister oder Bürokraten, die eine vorgefertigte Agenda abfrühstücken, wenn es darum geht, etwas Neues zu entdecken oder zu entwickeln. Oft steckt nicht einmal eine formulierte Absicht dahinter. Ohne Mumm und Verve und Glück und Zufall gäbe es nichts von dem, was wir täglich benutzen.



Es gibt viele gute Gründe etwas besitzen zu wollen. Oder profane. Oder gefühlte. Für die einen ist es Bequemlichkeit. Die anderen suchen Sicherheit. Bei vielen steht ein Status-Upgrade im Vordergrund. Sinnsucher versuchen ihrem Streben etwas näher zu kommen oder direkt einen komplett neuen Sinn in den Fokus ihrer Begierde zu stellen. Das Neue überhaupt. Die meisten brauchen gar nichts, schon gar nicht das was sie wollen. Was sie aber wollen ist, das Wollen an sich. Sie wollen einfach etwas Neues erbeuten, jagen, sammeln können. Jäger und Sammler machen eine weitere, große verspielte aber ernsthafte Gruppe aus. Alle wollen etwas haben.

Man muss es ihnen nur sagen.