Wenn Zwei dasselbe tun - Die Freiheit im Zeitalter demokratischer Kommunikationsmittel

Wenn Zwei dasselbe tun ...

... ist es noch lange nicht dasselbe, wenn einer davon in Regierungsverantwortung steht. Der im Grunde inexistente Unterschied zeigt sich per Definition im zumeist recht repressiven Spot eines diffusen Zwielichts.

Aber fangen wir mal klein an.

Wenn ein Kindergartenkind einem anderen das Schüppchen wegnimmt, so geschieht dies zumeist aus dem sich selbst gegenüber nicht unehrlichen Gefühl des sich ohne dieses Schüppchen in einer Mangelsituation Befindens heraus. Man wird kaum davon ausgehen, dass das die Aggression ausübende Kind per se böse ist. Dennoch versteht man nur zu gut das attackierte Kind, wenn es nun wie selbstverständlich seines ehedem eigenen Schüppchens wieder wird habhaft werden wollen. Sei es auch mit der zuvor verurteilten Anwendung von – selbstverständlich verhältnismäßiger – Gewalt.

Da wir als Menschen trotz erheblicher sozialer Mängel im Grunde jedoch mit einem Basispotential an Gerechtigkeitssinn ausgestattet sind, wohnt uns auch immer das Streben nach Waffengleichheit inne, wenn es denn schon zum Konflikt kommen muss.

Nun stirbt dieses Gefühl mit Verlassen des Kindergartens nicht plötzlich ab, vielmehr verstärkt es sich und treibt in all seinen individuellen Ausprägungen, die es je nach soziopsychologischem Werdegang erfährt, die unterschiedlichsten Blüten. So ist auch absolut nachvollziehbar, dass sich zwar die Schüppchen ändern, mitnichten jedoch das latent vorhandene Gefühl für Gerechtigkeit, wie auch immer diese im Endeffekt geartet sein mag.

Die jeweiligen Interessenlagen ergeben sich recht generisch aus der gesellschaftlichen Stellung. Natürlich ist es einer Regierung daran gelegen, möglichst viel über das von ihr regierte Volk zu erfahren, seine Daten HABEN zu wollen. Je unsicherer diese ist, das bedeutet, je wackeliger ihre vermutete Relegitimierung bei der nächsten Wahl ist, desto größer, ja manischer wird dieses Interesse, welches sich heutzutage mehr denn je – weil möglich – in einer wahren Sammelwut von Daten niederschlägt.

Natürlich ist es den Bürgern daran gelegen, möglichst viel über die Protagonisten der von ihnen zyklisch gewählten Regierung zu wissen, die Informationen. HABEN zu wollen. Je unverständlicher deren Handlungen sind, soll heißen, je volksferner sie regieren, desto stärker wird das Interesse der Bürger.

Nun könnte man meinen, beide Seiten seien quitt mit ihrem Verlangen, und vor Allem einig darin, dass gegenseitige Interesse zumindest in einem für beide Seiten vertretbaren Maße zu befriedigen. Die leider allzu oft als bloße Steuerzahler und verlässliche Stimmenspender wahrgenommenen Bürger zollen dem Staat, der sie letztlich qua vox als sowohl gesetzgebende wie auch ausführende Gewalt zu akzeptieren hat, ihren Tribut in Form des lückenlosen Offenlegens ihrer Privatheit im Sinne der üppigen Staatsbürgerpflichten. Die Regierung rechtfertigt ihr Handeln in Form der regelmäßigen Rechenschaftsberichte und bundestäglichen Anhörungen.

Während der Staat in Form der legitimen Regierung jedoch über ein mannigfaltiges Arsenal an durchaus rechtsstaatlichen Mitteln verfügt und von diesen auch zunehmend Gebrauch macht, stehen dem Bürger vergleichsweise ein paar Brosamen an demokratischen Mitteln abseits der Turnus gemäß wiederkehrenden Einspruchsmöglichkeit nach Ablauf der Legislaturperiode zur Verfügung. Inzwischen jedoch hat eben dieser an sich stille Bürger ein paar der Rechte, die ihm verfassungsgemäß zustehen für sich zu nutzen gelernt. Und die spannende Tatsache daran ist, dass es der im wahrsten Sinne des Wortes normale Bürger ist, der sich dessen bewusst wird. Die außerparlamentarische Opposition, wie sie den 68ern zu Eigen war, war dem in der Mitte der Gesellschaft stehenden Bürger schlicht zu weit links. Die Bürgerbewegungen in den 80ern waren ihm zu selbstgestrickt, zu monothematisch und zu alternativ.

Jetzt aber sind die ehemals Alternativen und die vermeidlich Andersdenkenden, die Selbstdenkenden wie ich sagen möchte, in der viel beschworenen Mitte der Gesellschaft angekommen, vielleicht auch erwachsen geworden. Und zwar nicht in jener Mitte in der sich die Regierungsparteien oder auch Möchtegern-Regierungsparteien wähnen und in schwungvollen Reden selber beschwören. Es ist eine Mitte, die man nicht mehr aufteilen kann in konservativ oder innovativ, gut verdienend oder über die Runden kommend, extravagant oder bieder, ökologisch oder konsumierend, familiär oder egoistisch. Die neue Mitte, wie sie ein all das ignorierender Mann namens Schröder damals in eigentlich völliger Unkenntnis bezeichnete, ist vor allem eines: gut gebildet und somit genau das, was die Regierung vorgibt der gesamten Gesellschaft en masse und flächendeckend zukommen lassen zu wollen. Und genau das ist der Grund, warum sich diese neue, breite Mitte nicht mehr vorschreiben lassen möchte, was gut für sie ist, wenn es schlecht für sie ist. Diese Mitte ist ausgebildet worden um zu denken. Und genau das tut sie nun.
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Parallel zu diesem neuen Bewusstsein tritt ein inzwischen gar nicht so neues Medium auf den Plan, welches jedoch das Potential hat den Machthabenden Angst zu machen. Und das aus einem ganz besonderen Grund, dem schutzlos in absolut vernichtender Art anheim zu fallen in alten Zeiten eigentlich dem so wahrgenommenen Pöbel vorbehalten war: Weil sie es nicht verstehen, das Internet.

Amerikanische Senatoren verlangen vollmundig die Auslieferung von Julien Assange und sind überzeugt davon, dass – hat man diesen einen, ach so brandgefährlichen Mann einmal in seinen Fängen – alles wieder so wird, wie es einmal war. Dass Wikileaks eine singuläre Erscheinung ist, keine Hydra mit unaufhörlich nachwachsenden Köpfen ein und desselben aufklärerischen Geistes. Diese erzkonservativen und bemitleidenswerten alten Männer verstehen nicht ansatzweise, dass das was zur Zeit passiert unumkehrbar ist. Dass es zwar nicht von jetzt auf gleich passieren wird, aber die Zeit ihrer sich selbst erhaltenden Kaste definitiv vorbei ist. Ja sie ahnen nicht einmal im Entferntesten, dass die Zeit der Postdemokratie im Sinne einer wahren Herrschaft des Volkes – des Bürgertums, möchte ich einschränkend verstanden werden, denn das Volk wird nachhaltig und nicht ganz unfreiwillig sediert mit den bewährten Brot-und-Spiele-Programmen, abwechselnd präsentiert von Arge, BILD und RTL – der nächste Schritt ist, den wir nicht bereit sein müssen zu gehen, sondern den wir bereits tun.

Waren es früher einmal die Produktionsmittel, die der herrschenden Klasse den Weg des Erfolges gepflastert haben, so sind es heute die Kommunikationsmittel, die die Weichen stellen. Dank des Internets, entgegen aller vergangenen sowie der derzeitigen – durchaus auch absolut erfolgreichen – Bestrebungen, es zu kommerzialisieren, privatisieren, privilegisieren und legitimieren, wächst gerade eine Generation heran, die in diesem Medium nichts Fremdes sieht, die keine Ängste verbindet mit dem weiten Netz und dem uneingeschränkten Zugang zu Informationen. Und plötzlich sind es die Regierungen – und wir sehen hier nicht einmal nur die (natürlich wie erwartet restriktiven) üblichen Verdächtigen der so genannten unfreien Welt an vorderster Front – die dem Bürger ansonsten mit Inbrunst so Einiges an Eigeninitiative abverlangen, und plötzlich entsetzt sind, dass er sich und seinesgleichen behördenfern und unregistriert, gar unkontrolliert organisiert, mobil macht für seine ureigenen Interessen.

Information, Mitspracherecht und – jetzt kommen wir zum casus knaxus – Waffengleichheit.

Es liegt in der Natur der Sache – erinnern wir uns an das Schüppchen – dass sich niemand gerne und sehenden Auges übervorteilen lässt. Aufgeklärt sind wir seit über 200 Jahren. Nun jedoch haben wir endlich ein Werkzeug an der Hand, welches wir besser beherrschen, als diejenigen die meinen uns zu beherrschen. Wenn wir es zu nutzen verstehen – und genau das zeigt sich gerade überdeutlich – können wir annähernd das erreichen, was wir im Kindergarten bereits anzustreben gedachten. Eine Situation in der sich niemand als der Schwächere und somit in die Ecke Gedrängte vorkommen muss. Eine Szenerie in der man sich auf Augenhöhe begegnet und somit eventuell auch gewährleistet wird, dass diejenigen die das Volk nach Abstimmung vertreten, dies auch wirklich vier Jahre durchhalten. Die wahre, da Geschlechter unabhängige Emanzipation der Menschen. Mag sein, dass die heute führenden Volksvertreter noch nicht soweit sind zu akzeptieren, dass die Menschen laufend Einfluss nehmen und nicht nur alle vier Jahre ein kabinengeschütztes Kreuz als ihre einzige Macht ansehen. Mag sein, dass es ein paar Jahre dauert, bis sich dieses Bewusstsein in der politischen Kaste durchgesetzt hat, bis die Protagonisten sich austauschen gegen flexible, zuhörende Menschen, die wissen, was es heißt, wirklich das Volk und nicht eine Lobby zu vertreten.

Das alles macht aber nichts. Es ist schon alleine daher irrelevant und leichter Hand ertragenswert, weil es unumkehrbar ist. Wir erleben dieser Tage etwas, vergleichsweise still und entgegen anderer Revolutionen ohne Tote (eine weitere gar nicht genug hervor zu hebende Errungenschaft), das viele der etablierten Politiker und Machthaber noch gar nicht überschauen können. Herr Assange ist nicht wichtig. Wikileaks an sich ist nicht wichtig. Legt sie trocken, schneidet sie ab – so Ihr könnt – von den immanent lebenserhaltenden Spenden. Es werden hunderte Plattformen folgen, die sich demselben Geiste verpflichtet fühlen.

Es gibt einen weltweiten Konsens, eine Norm so Ihr denn wollt. Eine Norm für freiheitliches Denken rund um den Erdball. Dieser Gedanke sollte Euch nicht weiter schrecken, die Globalisierung habt Ihr doch auch gewollt. Und diese Norm besagt, dass kein Volk der Welt, kein Individuum im Unfreien leben will. Diese Norm besagt, dass wir uns von keiner Regierung der Welt – gewählt oder nicht – mehr unwidersprochen vorschreiben lassen, was wir denken oder sagen dürfen. Diese Norm besagt, dass wir uns von niemandem mehr zensieren lassen, weder in unserem Denken, noch in unserer Sprache oder unserem Handeln. Diese Norm besagt, dass wir informiert werden wollen über die Dinge die unser Leben bestimmen. Diese Norm besagt, dass wir Zugang haben wollen zu Bildung, egal aus welcher sozialen, ethnischen oder religiösen Schicht wir kommen.

Diese Norm besagt, dass wir – alle Menschen auf diesem Planeten – frei sind.

Wenn zwei das Gleiche tun ...
... sollte es auch das gleiche sein.

Es ist die Zeit dafür.
Wir haben die Mittel.
Und niemand wird uns daran hindern sie zu nutzen.

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