Globulisierung - Waffengleichheit im Glashaus

Globulisierung ... nein, kein Druckfehler.


Euer singuläres „global“ ist passé. Es ist so dermaßen passé, dass es mir auch in Zeiten des einst revolutionären FDP-angepassten Neoliberalismus ein Schmunzeln abverlangt. Und zwar gerade deshalb, weil es der Kontrolle des FDP-adäquaten in einer Weise abgeht, dass es einem Freigeist die wollüstige Schamesröte ins Gesicht treibt. Lizensierung, Kontrolle, Zensur. All das ist für uns so vorbei, wie Eure über Bord geworfene Moral.

Schon doof, oder? Da habt Ihr Euch den Weltmärkten gerade erst geöffnet, aller Welt Zugang zu Euren Waren verschafft, dem eigenen Bruttosozialprodukt ein ungeahntes Wachstum vor die gierige Nase und den geöffneten Rachen gehalten, Euren spekulationsgeilen Zockern ein immenses Plus als Köder hingehalten, nur um sich aktuell leidlich peinlich darüber zu mockieren, dass sich heuschreckengleiche Individuen auf Kosten der Allgemeinheit an unser aller Kauflust – letztlich Schwäche – bereichern. Und was macht das im Grunde als unmündig und wehrlos abgestempelte Klatschvieh frecher Weise? Es twittert.



Es twittert? Ach Gott, es twittert, ja, harmlos. Na wenn Ihr das denkt, um so besser. Und wieso seid Ihr dann so erbost über Gedanken, spontane Meinungsäußerungen, kleine Wortspiele frei denkenden Geister auf Eure Kosten? Warum um alles in der virtuellen Welt habt Ihr plötzlich Angst vor Wikileaks und Konsorten? Ist doch alles nicht bewiesen. Lasst sie doch, nimmt doch keiner ernst. Mhhh ... doch? Ach gut, ein paar Spinner, aber doch nicht unsere Bürger, unsere Kunden, unsere Opfer.

Wisst Ihr eigentlich, habt Ihr den blassen Schimmer einer Ahnung, wo Ihr Euch Eure Globalisierung hin stecken könnt gegen das was ich erfahren habe durch meine Globulisierung? Durch den kulturellen Austausch? Durch die von Euch niemals zu begreifende Neugier auf das was andere Kulturen – Menschen – wirklich zu sagen, zu geben haben? Ich kann hier uns jetzt sofort die Ultraemotionalität eines mir persönlich völlig fremden Japaners in mein eigenes Gefühl übersetzen.

Es packt mich. Oder auch nicht.

Ich kann hier und jetzt in Tränen ausbrechen, weil dieser Japaner einen Song geschrieben hat, der meine Lebenswirklichkeit scheinbar nicht minder trifft, als die seine. Es ist ein Song. Kein Konzern. Es ist ein Akkord, eine Textzeile. Keine spekulativ aufgeblasene Annahme in der Hoffnung auf börsialen Profit. Es ist auf seine fiktionalkulturelle Art real. Es existiert. Und, hey, es zerstört keine Existenzen, es bringt mich im wünschenswerten Extremfall zum Weinen, beschert mir einen Moment des Glücks, der Verbundenheit mit einem Gedanken, der auch mir entfleucht sein könnte. Und das, liebe sich selber ad acta legende Wirtschafts-Avantgarde, das ist die wahre Frucht der Globalisierung.


Das ist das, was wirklich zählt. Führt den Euro ein, verabschiedet den Euro, öffnet Rettungsschirme, verlacht Eure eigene Diplomatie, schürt Konflikte, schmiedet Allianzen, bespitzelt Eure Bürger, sammelt Daten über Daten, lasst Euch von der Industrie kaufen, leckt der Euch Bauch pinselnden Lobby den unfassbar schmutzigen Allerwertesten, haltet ansprachen, bewerft Euch gegenseitig mit Dreck, benehmt Euch einfach wie immer.

Aber Ihr solltet wahrnehmen, dass die Welt da draußen sich geändert hat. Demokratie hat eine neue Qualität. Der Bürger ist nicht weiter nur gläsern, sondern auch vernetzt. Mit anderen Bürgern, mit Menschen. Und diese Menschen holen sich nun genau das, was Ihr für einer wirtschaftsliberale Kaste vorgesehen hattet.

Liebe Freunde, es herrscht Waffengleichheit, auch wenn Ihr das noch nicht verstehen könnt.

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