Es ist kein leichtes Thema, doch ein recht hintergründiger und schlauer Kommentar im SPIEGEL hat es kürzlich auf den Punkt gebracht. Das, was einige liberale amerikanische, und sogar britische Stimmen, schon seit einigen Jahren fordern. Fernab jeden Hurrapateiotismusses, muss eine wie auch immer demnächst zusammen gesetzte Bundesregierung endlich begreifen, dass wir in Europa inzwischen die Position des Motors durchaus übernommen haben. Ob wir es wollen oder nicht. Mit Frankreich oder ohne. Und das bedeutet nicht Macht, das bedeutet Verantwortung. Hätte Angela Merkel - die hier allerdings nur stellvertretend den Kopf hinhalten muss - ihren Spiderman gelernt, wüsste sie es: aus großer Kraft folgt große Verantwortung.
Der Nachkriegs-Deutsche an sich hat ja nun einmal den grundsätzlichen Vorbehalt gegen jedwede Führerschaft verinnerlicht, weil er stets das Extreme hinter seinen eigenen Taten vermutet, ganz so, als traue er sich selber nicht so ganz über den Weg. Die Geschichte hat uns zudem gelernt, dass dies nicht in Gänze falsch wäre. Doch hat die Urkatastrophe des 3. Reichs ihr Erbgut hinterlassen und dazu beigetragen, ein gesundes Misstrauen gegenüber jeder faschistischen Idee zu säen. Und das, mit Ausnahme der desolat verblödeten Gestrigen, in der gesamten Breite der Gesellschaft.
Keine der demokratischen Parteien würde auch nur den ernsthaften Ausflug in wirklich braune Gefilde wagen, abgesehen von ein paar versprengten Vollpfosten (danke lieber Duden) , zumeist in Reihen der bayerischen Christsozialen. Dazu haben wir ein zu gutes journalistisches Netz und einen zu breiten gesellschaftlichen Konsens, der trotz aller Unkerei sehr demokratisch und im Sinne des Willens nach freier Meinungsfreiheit ausgerichtet ist.
Wir haben Probleme. Alle haben Probleme. Sei es wirtschaftlicher Natur, sei es daraus gefolgert die Arbeitslosigkeit, sei es der scheinbar unaufhaltsame Klimawandel, sei es die Abkehr demokratischer Bastionen von der Idee der Freiheit und der Bürgerrechte. Wir haben, Deutschland hat, aber auch Gewicht. Unsere Wirtschaft floriert, unsere Technik ist nach wie vor führend, uns geht es vergleichsweise gut, wir vollführen mal eben und für uns selber überraschend schnell den Energiewandel und zudem ist unser Gesellschaft durch und durch demokratisch geprägt, was sogar die USA, als die einstmaligen Experten auf diesem Gebiet verwundert.
Das Ziehkind ist erwachsen geworden. Und mehr noch, es hat aus seiner Kindheit - und noch weitaus mehr aus seiner davor so schändlichen Geschichte - gelernt. Jetzt ist es Zeit Verantwortung zu übernehmen und sich nicht mehr hinter seiner Angst vor sich selber zu verstecken. Deutschland hat bereits eine globale Führungsrolle, es ist an der Zeit, diese zu akzeptieren und auszuüben. Nicht wie früher als Eroberer, sondern als Vorreiter. Und zwar in Sachen Ökonomie, Ökologie, Menschenrechte und Presse-, sowie Meinungsfreiheit.
Die Regierung muss endlich Stellung beziehen zu Themen wie Guantanamo, Prism, Syrien, der Türkei, Ägypten, der Weltklimakonferenz, Putins Verständnis von Pressefreiheit, undundund. Und mehr noch, sie muss Forderungen stellen. Weil sie es kann. Fangen wir doch endlich mal an den Kopf aus unserem Wohlfühlsand zu nehmen und das Gewicht zu nutzen, das wir inzwischen erlangt haben.
Das schulden wir der Welt, nicht das beharrliche Kopfeinziehen.