Wenn die Würde des Menschen könnte, wie sie müsste

Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Oft gelesen, oft bemüht, oft ignoriert.

Grundgesetze ranken sich um diese Formulierung, wie Efeu sich an Mauerwerken festkrallt. Sie verziert den Überbau mit angenehm humanistischer Farbe. Sie bietet Halt und steckt den Rahmen ab. Mitunter dient sie auch der Tarnung. Dann verleiht sie auch offenkundig menschenverachtenden Regimen den Ruch der Akzeptanz.

Und das ist auch schon ihr Hauptproblem.

Sie wird auch in gemeinhin als rechtsstaatlich wahr genommenen Staatsgebilden zu oft lediglich im wortwörtlichen Konjunktiv gelebt, zu oft nur theoretisch, wohlwollend angewendet. Ganz als wäre sie eine schöne Dreingabe, ein Bonusrecht, welches so allgemeingültig selbstverständlich scheint, dass man auf seine Durchsetzung nicht zu pochen braucht. Steht sie doch zumeist ganz vorne in der Reihe schöner Aufzählungen, der im Grunde dem gesunden Menschenverstand entsprungenen Festzurrungen menschlichen Miteinanders. 

Wird die Würde hier wie selbstverständlich als real existierend vorausgesetzt, dort wie selbstverständlich als Deckmantel für das genaue Gegenteil missbraucht, leidet sie, nimmt Schaden - hier und dort. Die einen hier, die sich aufrecht wähnen, halten das von ihnen angewandte Niveau von Menschenwürde angesichts der dort mangelhaft oder gleich gar nicht stattfindenden Anwendung für das Maß aller Dinge. Die anderen dort, die sich, bewusst ihrer Lüge, der Zurschaustellung der Würde bedienen, reagieren auf diese Hybris der vermeidlich Aufrechten mit weiterem Mauern. 

Gespräche zwischen Gleichgesinnten können befruchtend sein. Oder auch langweilig, weil vorhersehbar. Vorwürfe zwischen zwei Weltanschauungen, die sich zudem gegenseitig in ihrem Würdebegriff beschädigen, sind zumeist das Ende jedes Dialoges, noch bevor ein Gespräch im Raum gestanden hätte.

Die einen hier können aufgrund ihrer empfundenen Moralvorherrschaft im Diskurs nach außen kaum Raum preis geben, orientieren sich unterbewusst, also indirekt aber dennoch an der neuen Mitte zwischen den Positionen und Feilen die Ränder ihrer Wahrnehmung von Würde schon einmal rund.

Die anderen dort sind schon alleine aus Gründen der nach innen gerichteten Standfestigkeit, denn stets droht von innen die Gefahr in derartigen Systemen, dazu verdammt, den Spielraum ihres Würdebegriffs nicht allzu üppig werden zu lassen. 

Stehen sich zwei System gegenüber, die schon von vornherein, aus existenzbegründenden Anlagen eine allzu weit auseinander liegende Auffassung von Würde haben, stirbt diese auf beiden Seiten. Hier vielleicht etwas mehr, dort vielleicht etwas weniger. 

Die Würde des Menschen wird so beständig angetastet. Auch und vielleicht sogar im Endeffekt diese noch nachhaltiger beschädigend von denen, die sie sich eigentlich auf die Fahne geschrieben haben. 

Passen wir gut auf sie auf. 

-----
Viele, viele, bunte Blogpostleser die das gelesen haben, lasen auch:
Konsumenten und Vokalisten



0 Kommentare: